Warum jeder Journalist einen eigenen Blog haben sollte

16.04.2016 von Bernhard Jodeleit

Auf die Frage: “Haben Sie einen Blog?” hätte ich Mitte der Neunziger wohl so reagiert: “Block? Ja, natürlich!” – Tasche auf, Notizblock raus, leere Seite herausgerissen. Dem Fragenden übergeben und gesagt: “Klar habe ich einen Block. Hier, bitte, ich reiße Ihnen eine Seite heraus. Brauchen Sie noch einen Stift?”

Warum jeder Journalist einen eigenen Blog haben sollte

Mitte der Neunziger, ich war damals Journalist, zunächst bei einer Lokalzeitung, später bei einem Special-Interest-Magazin. Ziemlich genau 15 Jahre habe ich meine Brötchen schreibend und fotografierend verdient. Blogs waren in der Anfangsphase kein Thema in der Öffentlichkeit. Nicht einmal das Web interessierte großartig. Recherchiert wurde per Telefon oder vor Ort.

Journalismus ohne Webbrowser: Als Blogs noch kein Thema waren

Schmunzelnd erinnere ich mich an die Aufregung, die bei uns in der Tageszeitungsredaktion herrschte, als die NASA faszinierende Bilder vom Mars veröffentlicht hatte. Im Internet. Das war damals etwas Besonderes. Sensationell. Die Bilddateien waren sogar groß genug für den Abdruck in unserer Zeitung. Meine Aufgabe war es, über die (und mit den) faszinierenden Mars-Fotos eine Sonderseite zu schreiben – für die Printausgabe. Dazu musste ich auch die Bilder von der NASA besorgen. Aus diesem Internet. In der Redaktion ging das nicht. Denn wir hatten zwar Online-Terminals, an denen wir arbeiteten. Doch Websites konnten wir damit nicht aufrufen. Daran war gar nicht zu denken.

Also setzte ich mich zu Hause hin, lud mit einer Geschwindigkeit von 14.400 bit/s mehrere Stunden lang Bilder herunter und brachte sie am nächsten Tag auf zahlreichen Disketten (1,4 MB Speicher pro Stück) mit in die Redaktion. Mein heutiger Internetzugang ist gut 10.000-mal so schnell und wird zum Glück nicht nutzungsabhängig abgerechnet.

Doch damals war eben Flexibilität gefragt im Umgang mit den “neuen Medien”, wie man das damals nannte: Viele Journalisten wurden, schon längst mitten im Berufsleben, vom Aufkommen des Web eingeholt. Sie mussten und müssen Arbeitsweise, Prozesse, Recherche-Methoden und Qualitätssicherung kontinuierlich anpassen. Sonst laufen sie Gefahr, wegrationalisiert zu werden oder bei einer notwendigen Neuorientierung empfindliche Einbußen beim Einkommen hinnehmen zu müssen.

Als Journalisten Blogs plötzlich ernst nehmen mussten

Das war Mitte / Ende der Neunziger Jahre. Als Magazinjournalist durfte ich mich dann, da ich in der Tech-Branche unterwegs war, mit dem Aufkommen des mobilen Internet beschäftigen. Das war auch die Zeit, als plötzlich Blogs auf mein Radar kamen. Und nicht nur auf mein Radar.

Erste Vorzeichen für die wachsende Bedeutung von Blogs, die mich nachdenklich stimmten: PR-Verantwortliche aus der Handy-Branche fragten mich, welche Blogs ich als Technologie-Journalist denn so lese. ‘Wie’, dachte ich mir, ‘warum interessiert die das? Wollen die künftig Blogger ähnlich wie Journalisten mit Informationen versorgen?’ – Ich wirkte ab diesem Zeitpunkt darauf hin, dass wir als Journalisten den Trend zum Blogging ernster nehmen – und tendenziell auch selbst mit dem Bloggen beginnen. Darauf, dass wir persönlich im Web aktiv werden, ergänzend zu unseren offiziellen redaktionellen Angeboten im Web.

Denn eins war klar: Seit der Jahrtausendwende bekamen journalistische Online-Medien von Verlagen schleichend, aber massiv Konkurrenz – in Form von Blogs.

Redakteure im Elfenbeinturm

Doch einen wirklich intensiven Dialog mit den Lesern gab es erstmal trotzdem nicht. Manchmal überlege ich: Wie wäre es wohl gewesen, wenn ich schon zu Zeiten meiner journalistischen Arbeit wirklich intensiv mit Blog, Twitter, Facebook und anderen Social-Media-Instrumenten gearbeitet hätte? Vermutlich wäre ich zugänglicher und erreichbarer für die Leserschaft gewesen, hätte unmittelbarer auf Anregungen und Kritik von dort reagiert. Der Journalismus wäre dialogischer gewesen als er damals war. Leser-Feedback kam zentral in der Redaktion an, wurde von einer Leserbriefe-Redakteurin bearbeitet und beantwortet. Feedback von den einzelnen Autoren zur Kritik an deren Texten brauchte die Leserbriefe-Redakteurin oft gar nicht: Die häufig gestellten Fragen und die richtigen Antworten dazu waren ihr aus Erfahrung bekannt. Das heißt: Wir Redakteure waren ein wenig im Elfenbeinturm. Schwer erreichbar für den Durchschnittsleser.

Allerdings habe ich leicht reden. Als spezialisierter Special-Interest-Redakteur hätte ich damals gern mehr direkten Austausch mit Lesern gepflegt. Schaue ich mir an, mit welchem Feedback und welchen Hasstiraden die Kollegen bei General-Interest-Medien zu kämpfen haben, so habe ich größtes Verständnis dafür, wenn Kommentarfunktionen eingeschränkt oder abgeschaltet werden.

Als angestellter Journalist auf eigene Faust bloggen?

Jedenfalls begann ich um das Jahr 2006, noch angestellter Journalist, selbst, auf eigene Faust, zu bloggen, primär rund um meine fachlichen Themen – und fand rasch Gefallen daran. Faszinierend, wie schnell man, damals wie heute, durch das Bloggen mit eigenen Inhalten in die Google-Suchergebnisse kommt und damit viele Menschen erreicht, Themen besetzen kann.

Parallel, recht kurz nach dem Start meiner Aktivitäten als Blogger, vollzog ich eine komplette berufliche Neuorientierung, wechselte nach 15 Jahren Journalismus in die PR-Branche. Ich fand, dass manche Texte in meinem Journalisten-Blog zu dieser Neu-Positionierung (Public Relations statt Journalismus) einfach nicht mehr passten. Dass ich zwischenzeitlich auch auf Plattformen wie Twitter aktiv geworden war und dort eine gewisse Reichweite aufgebaut hatte: Es war extrem hilfreich beim Aufbau neuer Netzwerke und bei der, hässliches Wort, Selbstvermarktung.

Das Internet vergisst

Von einigen Inhalten im Blog musste ich mich damit verabschieden, nahm sie offline, denn gerade, wenn man sich in einer Branche neu positioniert, ist man ja vorsichtig, vielleicht zu vorsichtig. Ein emotionales Pamphlet gegen die Aktivitäten oder Produkte eines Unternehmens? Passt doch nicht zu einem PR-Berater, dachte ich. Und ich lernte in dieser Phase, dass sie gar nicht stimmt, diese These, die man so oft hört: “Das Internet vergisst nichts.” Naja: einerseits – klar – Server vergessen nichts, und Google auch nicht. Aber: Wenn man im Web intensiv unterwegs ist, viel auf Websites publiziert, dann vergisst das Internet eben doch. Indirekt. Weil Google seine Sortierung ändert. Das Internet vergisst, indem alte Inhalte zur eigenen Person, die nicht mehr so relevant sind, ganz weit nach hinten rutschen in den Suchergebnissen. Und dort schaut kaum jemand nach.

Dazu kommt: Texte, die Sie auf Ihrem eigenen Journalisten-Blog veröffentlichen, haben Sie selbst in der Hand. Sie bestimmen, wie lange und für wen diese Texte sichtbar sind. Das eigene, persönliche Blog ist mithin für Journalisten eine ideal selbst kontrollierbare Plattform. Die zentrale Schaltstelle für Online Reputation Management in eigener Sache.

Eigenes Blog: Für Journalisten ein Fels in der Brandung

Auch wenn Sie heute Fachjournalist für ein ganz bestimmtes Thema sind und später vielleicht etwas ganz, ganz anderes machen möchten: Haben Sie keine Angst davor, sich durch Bloggen zu sehr festzulegen und auf Dauer in eine fachliche Schublade geschoben zu werden. Das ist nicht der Fall. Im Gegenteil. Ich bin überzeugt davon: Wenn Journalisten neben den Verlags-Angeboten auch persönliche / private Kanäle aufbauen, auf denen sie publizieren können, dann macht das flexibler.

Denn die Texte, die Sie für Auftrag- oder Arbeitgeber schreiben und publizieren, bleiben dauerhaft im Netz, Rechte abgetreten. Die Ausrichtung Ihrer eigenen Social-Media-Kanäle und Ihres eigenen Blogs können Sie jedoch immer wieder verändern und an Ihre aktuelle Berufs- und Lebenssituation, an Ihre Ziele, anpassen. Und idealerweise werden Ihre ureigensten, persönlichen, von Ihnen selbst kontrollierten Plattformen (zuvorderst das eigene Blog) bei Eingabe Ihres Namens ganz oben in Suchmaschinen gefunden.

These: Ein eigenes Blog ist für Journalisten der Fels in der Brandung in Sachen Personal Branding.

Mein ehemaliges Journalisten-Blog: Starthilfe auf dem Weg in die Selbstständigkeit

Die verbliebenen Blog-Inhalte und auch – viel zu selten entstehende – neue Postings sind inzwischen Teil der Corporate Website, die ich in eigener Sache betreibe. Das läuft soweit gut: So mancher Beitrag hat in den vergangenen Jahren einigen organischen Traffic aus Suchmaschinen auf meine geschäftliche Website gespült. Unter den so gewonnenen Website-Besuchern interessierten sich einige für meine Leistungen. Unter diesen Interessenten kristallisierten sich wiederum einige Neukunden heraus. Zudem habe ich über das Bloggen und die damit verbundenen Aktivitäten innerhalb der bekannten Social Networks jede Menge interessanter Leute kennengelernt. Zudem viel über Webdesign und Content Management Systeme gelernt und mich technisch up to date gehalten.

Alles in allem stelle ich fest: Journalisten sollten ein eigenes Blog haben, denn:

  • Als Journalist habe ich vom ersten Tag an davon profitiert, als ich mich für ein eigenes Blog entschieden hatte.
  • Ein eigenes Journalisten-Blog hilft Ihnen dabei, Ihr persönliches Kompetenzprofil selbst in die Hand zu nehmen.
  • Sie können mit einem Journalisten-Blog in eigener Sache besser steuern, wie Sie in den Google-Suchergebnissen wahrgenommen werden.
  • Arbeitsverträge mit Verlagen sind für Journalisten heute kein sicherer Hafen bis zur Rente mehr; stehen berufliche Veränderungen an, so wird Ihnen ein gut gepflegtes persönliches Journalisten-Blog hilfreich zur Seite stehen und Kontakte sowie Chancen bringen.
  • Wenn Sie als Journalist selbstständig sind oder später werden möchten, so kann Ihr eigenes Blog ein wertvolles Akquise-Instrument sein – unter anderem durch organische Website-Besucher von Suchmaschinen. Das Blog kann Ausgangspunkt für eine Corporate Website werden.

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Ein Mann in schwarzem Anzug und grauem Hemd - Bernhard Jodeleit, Gastautor

Gastautor: Bernhard Jodeleit

ist Director Digital Marketing bei Kerl & Cie, einer Kommunikationsberatung in Frankfurt, wo er sich auf Finanz-PR und Marketing konzentriert. Er hat seit 1994 als Journalist und seit 2008 für PR-Agenturen und als Unternehmer gearbeitet und dabei umfangreiche Erfahrung in digitaler Strategie und Reputationsmanagement gesammelt.

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